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SÜDKOREA 
Der erste Schritt für das letzte Menschenrecht

 

Gastbeitrag von Da Hye Choi*

Am 28. Dezember 2023 haben die Korea Association of Right to Die (KARD)** und eine Gruppe von Anwälten gemeinsam eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, um ein Gesetz zu erwirken, das ärztlich unterstützte Suizidhilfe erlaubt. Dass die Beschwerde Ende des Jahres eingereicht wurde, soll die Bedeutung von Fragen (und Antworten) zum Lebensende besonders hervorheben.

Wegweisende Gerichtsfälle zum Lebensende

Derzeit gibt es in Südkorea nur zwei legale Wahlmöglichkeiten am Lebensende, nämlich das Beenden lebenserhaltender Massnahmen und die Palliativversorgung. Der Legalisierung dieser beiden Optionen voraus gingen zwei Fälle, die im Land bekannt sind als Boramae Hospital- resp. als Mrs. Kim-Fall. 2004 erlitt ein Patient nach einer Hirnoperation eine Hirnschwellung, die mit starken Atembeschwerden einherging. Die Ehefrau forderte aus ökonomischen Gründen, dass die künstliche Beatmung beendet werde, obschon dies der Empfehlung der Ärzte widersprach. Schliesslich gaben die Ärzte ihrer Forderung nach und stellten die künstliche Beatmung ein, woraufhin der Patient verstarb. Es wurde Anklage erhoben, einerseits gegen die Ehefrau wegen Tötung sowie andererseits gegen die Ärzte wegen Beihilfe zur Tötung.

Dass in diesem Fall die lebenserhaltenden Massnahmen ausdrücklich gegen ärztlichen Rat eingestellt wurden, unterscheidet diesen Fall von solchen, in denen eine Beendigung der Massnahmen aufgrund fehlender Genesungsaussichten erfolgt. Der Patient hätte Aussicht auf Genesung gehabt, und die Einstellung der Beatmung erfolgte entgegen der medizinischen Empfehlung und Behandlungspraxis. Dies führte zu einer Kehrtwende: Bis dahin war in Fällen, in denen keinerlei Aussicht auf Besserung bestand, die Beendigung von Massnahmen toleriert worden. Die Angst vor rechtlichen Konsequenzen führte nun jedoch dazu, dass lebenserhaltende Massnahmen auch bei Patienten ohne Überlebenschance nur noch zögerlich beendet wurden.

Der zweite bedeutende Fall ereignete sich 2009 mit der Familie von Frau Kim, einer künstlich beatmeten Patientin im Wachkoma. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass die Patientin das Recht habe, selbst über medizinische Behandlungen zu entscheiden, was die Beendigung lebenserhaltender Massnahmen einschliesse. Der Fall ebnete den Weg für das Gesetz von 2016, das die Beendigung lebenserhaltender Massnahmen ermöglicht, sowie für das Gesetz von 2018 über Lebensende-Entscheidungen für Patienten in Hospizpflege bzw. im Sterbeprozess. Diese Gesetze erlauben die Erstellung von Patientenverfügungen oder Verfügungen bezüglich lebenserhaltender Massnahmen während des Sterbeprozesses. Sollten die Wünsche des Patienten unbekannt sein, ist für eine Beendigung lebenserhaltender Massnahmen die Zustimmung von mindestens zwei Familienmitgliedern erforderlich.

Seit 2022 liegt auch ein Änderungsvorschlag zum Gesetz über Lebensende-Entscheidungen vor. Eine wesentliche Änderung betrifft die Beendigung lebenserhaltender Massnahmen: So ist vorgesehen, dass auch Patienten eine solche verlangen können, deren Tod zwar nicht unmittelbar bevorsteht, deren Lebenserwartung jedoch nicht mehr als sechs Monate beträgt. Die Änderung führt auch das Konzept des «unterstützten würdevollen Todes » ein. Damit sollen unheilbar Erkrankte Ärzte um Unterstützung bitten können, wenn sie ihr Leben beenden wollen. Dieser Gesetzesentwurf wurde jedoch bisher im Nationalparlament nicht diskutiert – und es sieht derzeit so aus, als würde er verworfen.

Im vergangenen Jahr waren etwa 20 Prozent aller Todesfälle in Südkorea auf die Beendigung lebenserhaltender Massnahmen zurückzuführen, davon 60 Prozent auf entsprechende Entscheidungen von Familienmitgliedern. Nur rund sechs Prozent der Todesfälle erfolgten im Rahmen einer Palliativversorgung, was auf das Fehlen entsprechender Einrichtungen zurückzuführen ist. Nur wenige Menschen in Südkorea werden palliativ versorgt.

Die aktuelle Verfassungsbeschwerde

Am 28. Dezember 2023 haben nun also KARD sowie eine Gruppe von Anwälten gemeinsam eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, in der gesetzgeberische Massnahmen gefordert werden; zudem soll so eine öffentliche Debatte zu ärztlich unterstützter Suizidhilfe angestossen werden. Die Beschwerde wurde vorgebracht von Myung-sik Lee (63), der einen assistierten Suizid wünscht, sowie von seiner Tochter, die ihn in seiner Entscheidung unterstützt und ihn dabei begleiten möchte. Das Verfassungsgericht hat entschieden, auf den Fall einzutreten. 2017 und 2018 wurden ähnliche verfassungsrechtliche Beschwerden mit der Begründung abgelehnt, es fehle ein gesellschaftlicher Konsens.

Das Ziel der von KARD eingereichten Verfassungsbeschwerde ist es, ein Gesetz zu erwirken, in dessen Rahmen ärztlich unterstützte Suizidhilfe durchgeführt werden kann. Das derzeitige Fehlen einer entsprechenden Gesetzgebung verstösst gegen den Geist der Verfassung und verletzt die Grundrechte jener, die über das eigene Lebensende selbst bestimmen wollen.

Myung-sik Lee leidet aufgrund seiner Rückenmarksatrophie praktisch ununterbrochen an starken Schmerzen. Er ist Mitglied einer Schweizer Suizidhilfeorganisation, allerdings ist es ihm nicht mehr möglich, eine solch lange Reise allein anzutreten. Begleitet ihn jedoch seine Tochter in die Schweiz, droht ihr bei ihrer Rückkehr nach Südkorea eine Strafverfolgung wegen Beihilfe zum Suizid.

In der Regel dauert die Behandlung einer solchen Verfassungsbeschwerde ein bis zwei Jahre. Allerdings wurde eine öffentliche Anhörung beantragt. Eine solche könnte die öffentliche Wahrnehmung schärfen. Am 7. Februar wurde zudem ein Film zu ärztlich unterstützter Suizidhilfe ausgestrahlt, und ein Spielfilm mit einem berühmten Schauspieler zum Thema soll ebenfalls 2024 ausgestrahlt werden.

Die öffentliche Debatte, die mit dem Einreichen der Verfassungsbeschwerde sowie mit der Ausstrahlung der Filme angestossen werden soll, lässt hoffen. Immerhin sind gemäss einer Umfrage von 2023 rund 80 Prozent der Menschen in Südkorea der Meinung, dass ärztlich unterstützte Suizidhilfe erlaubt sein sollte. Derzeit gibt es in Südkorea allerdings noch einige andere Herausforderungen zu bewältigen, etwa den Ausbau des Gesundheitssystems insgesamt, aber auch Probleme rund um Versicherungen sowie den Aufbau einer Infrastruktur für Hospiz- und Palliativversorgung. KARD wird 2024 an verschiedenen Anlässen mitwirken, um einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen und die Patientenrechte bezüglich des eigenen Lebensendes zu stärken.

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* Da Hye Choi ist Präsidentin der Korea Association of Right to Die (KARD).

** Die Korea Right to Die Association (KARD) wurde 2022 gegründet und hat derzeit über 220 Mitglieder. Neue Mitglieder sind sehr willkommen. So können die Aktivitäten fortgesetzt und die Legalisierung von ärztlich unterstützter Suizidhilfe vorangetrieben werden. KARD ist das einzige südkoreanische Mitglied der World Federation of Right to Die Societies (WFRtDS).

 

 

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