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PORTUGAL 
Sterbehilfegesetz: Noch nicht ganz angekommen

Gastbeitrag von Inês Fernandes Godinho* und André Dias Pereira**

Der portugiesische Staatspräsident hat zum zweiten Mal sein Veto gegen ein vom Parlament verabschiedetes Sterbehilfegesetz eingelegt. Der Gastbeitrag zeichnet den Weg des Gesetzes seit der ersten Parlamentsabstimmung im Mai 2018 nach.

Die erste Parlamentsabstimmung über ein Gesetz zur Sterbehilfe in Portugal fand am 29. Mai 2018 statt. Der Abstimmung ging eine breite Diskussion in der portugiesischen Gesellschaft voraus, die insbesondere seit 2015 von der Bewegung «Direito a Morrer com Dignidade» (Recht auf Sterben in Würde) geführt wurde. Die erforderliche Mehrheit für eine Verabschiedung des Gesetzes konnte nicht erreicht werden, doch es gab Anzeichen dafür, dass das Thema ins Parlament zurückkehren würde. Die Schlussabstimmung ergab 110 Ja-Stimmen, 115 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen; das Gesetz wurde also nicht angenommen.

Die zweite Parlamentsabstimmung über ein Gesetz zur Sterbehilfe fand am 20. Februar 2020 statt. Der Vorschlag wurde mit 128 Ja-Stimmen, 85 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen angenommen. Da es sich um eine Abstimmung über eine Reihe von fünf Vorschlägen handelte, die alle angenommen wurden, mussten sie zu einem Vorschlag zusammengefasst werden, über den das Parlament erneut abstimmen musste. Der konsolidierte Gesetzesvorschlag wurde dem Parlament am 29. Januar 2021 vorgelegt und mit 136 Ja-Stimmen, 78 Nein-Stimmen und 4 Enthaltungen als Dekret Nr. 109/XIV angenommen.

Das genehmigte Dekret wurde dem Präsidenten der Republik zum Erlass vorgelegt. Dieser legte es jedoch dem Verfassungsgericht vor, da er Zweifel an seiner Verfassungsmässigkeit hatte.

Das Dekret Nr. 109/XIV regelte die Bedingungen, unter denen ärztliche Sterbehilfe nicht strafbar sein soll, und änderte das Strafgesetzbuch (Código Penal, CP). Nach portugiesischem Strafrecht sind sowohl die Tötung auf Verlangen (Art. 134 CP) als auch die Hilfe zur Selbsttötung (Art. 135 CP [1]) Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Der Erlass Nr. 109/XIV folgte also einem Modell, bei dem beide Straftatbestände im Strafgesetzbuch beibehalten wurden, aber es wurden Ausnahmebedingungen für die Straflosigkeit festgelegt. Dieses Gesetz verlangte, dass der Patient an einer unheilbaren und tödlichen Krankheit oder an einer dauerhaften und äusserst schweren Beeinträchtigung leidet, worüber medizinisch-wissenschaftlich Konsens besteht, und dass er sich in einer Situation unerträglichen Leidens befindet.

Die Hauptfrage der Verfassungskonformität betraf die Ungenauigkeit der Anforderungen, insbesondere in Bezug auf die Schwere der Beeinträchtigung. In diesem Punkt entschied der Verfassungsgerichtshof, dass das Gesetz nicht verfassungskonform ist, was am 15. März 2021 zum ersten Veto des Präsidenten führte. Daraufhin begannen die parlamentarischen Befürworter des Dekrets Nr. 109/XIV damit, den Text bezüglich einer Präzisierung der relevanten Definitionen zu ändern, um die Anforderungen an die Verfassungskonformität zu erfüllen.

Am 5. November 2021 wurde der geänderte Vorschlag dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt und mit 138 Ja-Stimmen, 84 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen als Dekret Nr. 199/XIV verabschiedet und erneut dem portugiesischen Präsidenten zum Erlass vorgelegt.

Das Dekret Nr. 199/XIV legt – ähnlich wie zuvor das Dekret Nr. 109/XIV – neben der Definition des medizinischen Zustandes des Patienten fest, dass nur portugiesische Staatsbürgerinnen und -bürger und Personen mit Wohnsitz in Portugal im Alter von über 18 Jahren ärztliche Sterbehilfe beantragen können. Um die Autonomie des Patienten zu gewährleisten, legt das Dekret mehrere Phasen fest, von der Beantragung bis zur Ausführung, die jeweils nur weitergeführt werden, nachdem der Patient seinen Willen erneut bekräftigt hat. Darüber hinaus gewährt das Dekret dem Antragsteller, wenn er dies wünscht, Zugang zu Palliativmedizin als Alternative und schliesst beide Möglichkeiten der ärztlich begleiteten Sterbehilfe ein, d.h. die Verabreichung eines tödlichen Medikamentes durch den Arzt (direkte aktive Sterbehilfe) oder die ärztlich begleitete Selbstverabreichung eines tödlichen Medikaments (assistierter Suizid).

Aufgrund der Verwendung des Begriffs «schwere oder unheilbare Krankheit» im Dekret Nr. 199/XIV und des Begriffs «unheilbare und tödliche Krankheit» legte der Präsident jedoch am 29. November 2021 erneut ein präsidiales Veto ein, da er Bedenken bezüglich des Geltungsbereichs des Gesetzes hatte; dadurch wurde das Inkrafttreten des Dekrets verhindert.

Erst nach den Parlamentswahlen vom 30. Januar 2022 besteht wieder die Aussicht, dass ein Gesetz zur Sterbehilfe (bald) wieder im portugiesischen Parlament eingebracht werden kann.

***

[1] versuchter oder vollzogener Suizid


* Inês Fernandes Godinho ist Professorin für Strafrecht an der Universität Lusófona in Porto (Portugal); sie hat sich unter anderem auf Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Lebensende spezialisiert und ist Mitglied des Nationalen Ethikausschusses für Biowissenschaften.

** André Dias Pereira ist Professor für Rechtswissenschaften und Direktor des Zentrums für biomedizinisches Recht an der Universität Coimbra (Portugal); er ist Mitglied der Ethikkommission und des medizinisch-juristischen Rates des Nationalen Instituts für Rechtsmedizin und forensische Wissenschaften sowie Vizepräsident der Nationalen Ethikkommission für Biowissenschaften.

 

 

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