ÖSTERREICH:
Einsatz gegen das Verbot der Beihilfe zum Suizid

 

Die Republik Österreich kennt eines der rigorosesten Verbotssysteme gegen die Beihilfe zum Suizid in Europa. § 78 des österreichischen Strafgesetzbuches (öStGB), der sich zur «Mitwirkung am Selbstmord» äussert, lautet:

«Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.»

Dies allein wäre zwar noch nicht entscheidend; ähnliche Gesetze gibt es auch in anderen Staaten, so etwa in England und Wales der «Suicide Act» von 1961. Doch im Unterschied zu anderen Ländern sieht das österreichische Strafgesetzbuch in § 64 Absatz 1 Ziffer 7 vor, dass die inländische Strafnorm auch dann Anwendung findet, wenn der Suizid nicht im Lande selbst, sondern beispielweise in der Schweiz erfolgt, wo solche Suizidhilfe, insbesondere als Freitodbegleitung durch gemeinnützige Vereine wie DIGNITAS - Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben in Zusammenarbeit mit Ärzten, grundsätzlich kein Delikt ist. Diese österreichische Norm lautet:

«§ 64 (1) Die österreichischen Strafgesetze gelten unabhängig von den Strafgesetzen des Tatorts für folgende im Ausland begangene Taten:
. . .

7. strafbare Handlungen, die ein Österreicher gegen einen Österreicher begeht, wenn beide ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben;
. . . »

Diese Bestimmung kann zur Folge haben, dass die österreichische Strafbehörde ein Strafverfahren gegen eine Person in Österreich einleitet, wenn sie erfährt, dass diese Person – wenn sie Österreicher ist und in Österreich wohnt – einem anderen Österreicher, der in Österreich gewohnt hat, behilflich war, zu DIGNITAS in der Schweiz zu fahren, um dort sein Leiden und Leben selbstbestimmt, legal und sicher beenden zu können.

Ein verfassungswidriges Verbot?

Wahrscheinlich ist dieses Verbot von § 78 öStGB an sich schon verfassungswidrig; ganz besonderen Unrechtsgehalt weist das System auf, weil es auch die Auslandstat bestrafen will.

Die derzeitigen Normen könnten in absehbarer Zeit zum Gegenstand eines Verfahrens vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof werden. Gemäss Artikel 140 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes kann eine Person, die durch ein Gesetz in ihren verfassungsmässigen Rechten verletzt wird, den Verfassungsgerichtshof anrufen. Dieser muss dann entscheiden, ob das Gesetz tatsächlich die Verfassung verletzt.

DIGNITAS arbeitet derzeit mit einem österreichischen Anwalt zusammen mit dem Ziel, Personen in Österreich zu finden, die vom restriktiven Gesetz betroffen und bereit sind, ein solches Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof anzustrengen. Die entsprechenden Bemühungen sind im Gange.

Gibt es einen Ausweg ohne Verfassungsgerichtshof?

Denkbar ist auch ein Ausweg ohne Entscheid des Verfassungsgerichtshofes. Eine Beihilfe zum Suizid, die in der Schweiz erfolgt und dort kein Delikt ist, ist nämlich gemäss österreichischem Recht nur strafbar, wenn sowohl die sterbewillige Person als auch die helfende Person Österreicher sind und in Österreich Wohnsitz haben. Juristisch bislang nicht geklärt ist die Frage, ob die Strafbarkeit auch dann gegeben ist, wenn die sterbewillige Person vor ihrer Reise in die Schweiz sich an ihrem österreichischen Wohnsitz abmeldet und erklärt, ihren Wohnsitz ins Ausland zu verlegen. DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben ist bestrebt, diese Frage vorerst theoretisch zu klären. Möglicherweise bedarf es jedoch auch hier eines Rechtsverfahrens in Österreich, um Klarheit zu schaffen.

DIGNITAS wird weiter über die Rechtslage und den Verlauf der juristischen Abklärungen in Österreich berichten.

 

 

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