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Begleiteter Suizid in England und Wales: Zeit, die Gesetze zu ändern?

 

von Gastkommentatorin Saimo Chahal*

 

Im Vereinigten Königreich läuft die Debatte um die Legalisierung des assistierten Suizids seit Jahrzehnten. Bereits in 1930er Jahren gab es eine Lobbyorganisation für Wahlfreiheit im Leben und am Lebensende: die VES - Voluntary Euthanasia Society . Umfragen zeigten bereits in den 1970er Jahren, dass eine Mehrheit der Briten über Zeitpunkt und Art ihres Todes selber entscheiden wollen.

Doch trotz der Bemühungen sowohl von Organisationen als auch von einigen mutigen Einzelpersonen hat die Mehrheit der Politiker die Bitte um mehr Menschenwürde und Wahlfreiheit nicht erhört. Zwei Vorstösse im Parlament aus jüngerer Zeit, erst durch Lord Falconer und dann durch Rob Marris, scheiterten. Rob Marris’ Gesetzesvorschlag wurde im Unterhaus am 11. September 2015 mit 330 zu 118 Stimmen verworfen. Viele fanden die Debatte wenig beeindruckend und fragten sich, ob das Parlament überhaupt die richtige Plattform für solch juristisch komplexe und moralisch aufgeladene Fragen ist.

Meine Klienten haben beschlossen, dass Politiker weit weg von der öffentlichen Meinung stehen, und haben den rechtlichen Weg eingeschlagen, um eine Gesetzesänderung herbeizuführen. Diese Reise begann mit dem Fall von Diane Pretty, einer Frau, die an einer Motoneuron-Krankheit (eine neurodegenerative Erkrankung) leidet und die für ihren Ehemann um Schutz vor Strafverfolgung ersuchte, damit er ihr beim Sterben helfen könne: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) befand 2002: "In einer Zeit wachsender medizinischer Raffinesse kombiniert mit höherer Lebenserwartung machen sich viele Menschen Gedanken darüber, dass sie nicht gezwungen sein wollen, in hohem Alter oder in einem Zustand fortgeschrittenen körperlichen oder geistigen Zerfalls weiterzuleben, der starken persönlichen Vorstellungen des Selbst und der persönlichen Identität widerspricht."

Weitere Gerichtsverfahren folgten: der Fall Debbie Purdy und später der Fall Tony Nicklinson und Paul Lamb. Der letztgenannte Fall wurde vom Obersten Gerichtshof im Juni 2014 entschieden. Das Gericht befand mehrheitlich, dass die Bestimmungen von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) betroffen sind, dass das Gericht über den Fall entscheiden könne, dass aber das Parlament erst die Möglichkeit haben sollte, das Gesetz zu überprüfen. Das Gericht sagte auch, dass, wenn das Parlament sich nicht mit Fällen von Personen wie Tony Nicklinson und Paul Lamb auseinandersetze, d.h. mit Fällen von Personen, die an unheilbaren Erkrankungen leiden (was weiter gefasst ist als eine „terminale“ Erkrankung, die in Kürze zum Tode führt), es gezwungen sei, die Frage erneut zu behandeln.

Nun liegt ein neuer Fall vor dem High Court, derjenige von Omid, einem 54-jährigen Mann, bei dem 2014 Multisystematrophie (MSA) diagnostiziert wurde, eine unheilbare Nervenkrankheit. 2015 versuchte Omid, sich das Leben zu nehmen, scheiterte aber wie so viele andere und wurde in ein Pflegeheim verlegt. Auch mit 24-Stunden-Pflege und -Betreuung will er sein Leben beenden, da er keine Lebensqualität mehr empfindet. Omid will nun den begleiteten Suizid in England und Wales gerichtlich durchsetzen - eine in seinem Zustand äusserst mutige und selbstlose Handlung. Er will anderen helfen und ein Vermächtnis hinterlassen.

Omid stellt sich auf den Standpunkt, dass das Gesetz gegen sein Recht auf Privatleben verstosse, eine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Das Gesetz erlaubt ihm und anderen urteilsfähigen Erwachsenen, die eine klare und feste Entscheidung getroffen haben, nicht, ihr Leben aufgrund unerträglichen Leidens zu beenden. Er möchte, dass das Gericht Abschnitt 2 des britischen Suizidgesetzes aus dem Jahr 1961 für mit seinen Rechten auf Autonomie und Würde unvereinbar erklärt und das Gesetz, das einen begleiteten Suizids verbietet, für unzulässig erklärt - in ähnlicher Weise wie im Fall Carter in Kanada, in dem die entsprechenden Bestimmungen im Strafgesetz für verfassungswidrig erklärt wurden. Es wird auch argumentiert, dass Artikel 2 der EMRK (Recht auf Leben) betroffen ist, da Omid für eine Freitodbegleitung in die Schweiz reisen müsste, solange er noch reisefähig ist, und dass dies früher ist, als dies der Fall wäre, wenn er dasselbe in England und Wales tun dürfte.

Omid befindet sich noch nicht im Endstadium einer Krankheit, sondern hat noch mehrere Jahre in diesem bedauernswerten Zustand zu leben. Die bisherigen, fehlgeschlagenen Versuche, das Gesetz zum assistierten Suizid durch das Parlament zu ändern, wollten den Zugang zu dieser Möglichkeit auf unheilbar kranke Menschen mit einer Lebenserwartung von sechs Monaten oder weniger beschränken. Es gibt jedoch keine moralische oder rechtliche Grundlage für eine solche Beschränkung, und sie würde Omid und viele andere wie ihn, die unter unheilbaren Krankheiten leiden, ausschliessen.

Seit 2002 reisten 377 Briten für eine Freitodbegleitung zu DIGNITAS. Viele Menschen in England und Wales empfinden das bestehende Gesetz als unfair und ungerecht, weil es eine Freitodbegleitung zuhause nicht zulässt.

Die Hauptargumente gegen Omids Fall sind, dass eine solche Gesetzesänderung eine "schiefe Ebene" schaffen würde (dass eine Zulassung von begleitetem Suizid beispielsweise zur Legalisierung aller Arten von Sterbehilfe führen würde) und dass sie schwache und verletzliche Menschen anfällig für Missbrauch machen würde. Aus Ländern, in denen der begleitete Suizid erlaubt ist (z.B. die Schweiz oder der US-Bundesstaat Oregon), gibt es jedoch keinerlei Hinweise, dass dies der Fall ist. Die Schweiz hat mittlerweile 35 Jahre Praxiserfahrung mit Freitodbegleitungen für urteilsfähige Erwachsene, die aufgrund ihres Zustandes eine solche in Anspruch nehmen.

Dass Menschen in einer unerträglichen Lage ihr Leiden und Leben nicht selbstbestimmt beenden dürfen, ist inakzeptabel. Sie brauchen und verdienen den Schutz des Gesetzes. Es ist Zeit für eine Gesetzesänderung!

Mehr Informationen über den Fall Omid:
https://www.crowdjustice.com/case/dignified-death

 

* Saimo Chahal QC (Hon) ist Partnerin und Co-Leiterin der Abteilungen für internationales und öffentliches Recht & Menschenrechte der Anwaltskanzlei Bindmans LLP in London. Saimo arbeitet nebenamtlich als Richterin des Mental Health Tribunal. Sie ist auf internationale Rechtsfälle spezialisiert, Eingaben an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sowie nationale Menschen- und Zivilrechtsfälle. Saimo war auch federführend in den Fällen Diane Purdy und Tony Nicklinson/Paul Lamb.

 

 

 

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