ITALIEN
Wird das Parlament der Anweisung des Verfassungsgerichts folgen?

 

Am 30. Januar 2019 begann das italienische Parlament mit der Debatte über eine im September 2013 beim Parlament eingereichte Volksinitiative zur Liberalisierung der Sterbehilfe. Dass die Initiative jetzt nach über fünf Jahren traktandiert wurde, ist dem italienischen Verfassungsgericht zu verdanken, welches das Parlament im Oktober 2018 angewiesen hatte, den bestehenden Rechtsrahmen für das selbstbestimmte Lebensende (Artikel 580 des Strafgesetzbuches) bis zum 24. September 2019 zu überarbeiten. Die Volksinitiative war vom italienischen Gesetzgeber bis anhin ignoriert worden.

Im Zusammenhang mit einem im November 2017 gegen Marco Cappato, Sekretär der Associazione Luca Coscioni, in Mailand eröffneten Strafverfahren hielt das italienische Verfassungsgericht im Oktober 2018 fest, dass der derzeitige Rechtsrahmen für das selbstbestimmte Lebensende (Artikel 580 des Strafgesetzes) in bestimmten Situationen die durch die Verfassung garantierten Grundrechte der Bürger nicht ausreichend schützt. Anschliessend beauftragte es das italienische Parlament, die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechend zu überarbeiten.

Gemäss dem heutigen italienischen Gesetz macht sich strafbar, wer wissentlich dazu beiträgt, dass jemand seinem Leben selbst ein Ende setzt. Das Verfassungsgericht erkannte, dass damit verfassungsmässige Rechte verletzt werden, wenn ein Suizid als offensichtlich gerechtfertigt erscheint. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, dass die Suizidhilfe auch in Italien bald zu einer legalen Option wird.

Marco Cappato war wegen Beihilfe und Anstiftung zum Suizid angeklagt worden, nachdem er sich bei der Polizei in Mailand selber angezeigt hatte. Er hatte Ende Februar 2017 unter grosser Anteilnahme der italienischen Medien und Öffentlichkeit Fabiano Antoniani (bekannt unter seinem Künstlernamen DJ Fabo) für eine Freitodbegleitung in die Schweiz gebracht (s. auch Newsletterartikel vom November 2018). Das Gericht sprach ihn von dem Vorwurf der Anstiftung frei. Das Urteil bezüglich der Beihilfe kann erst erfolgen, wenn der Verfassungsgerichtshof die Frage der Verfassungsmässigkeit von Artikel 580 abschliessend geklärt und entschieden hat.

Das Urteil in einem zweiten Verfahren, bei dem neben Marco Cappato auch Mina Welby* angeklagt ist, wurde aufgeschoben. Im April 2017 hatte Mina Welby den Italiener Davide Trentini zu einer Freitodbegleitung in die Schweiz gebracht; Cappato hatte im Vorfeld in Italien die fehlenden finanziellen Mittel für die Reise beschafft. Das Gericht in Massa hat beschlossen, mit dem Urteil zu warten, bis klar ist, welche Änderungen das italienische Parlament an der geltenden Gesetzgebung vornehmen wird und wie sich diese auf den Fall auswirken.

*Mina Welby ist eine bekannte Exponentin der Associazione Luca Coscioni und Witwe von Piergiorgio Welby, einem 2006 verstorbenen Pionier für das selbstbestimmtes Lebensende in Italien

 

Weitere Informationen über die Liberalisierung der Sterbehilfe in Italien und den Prozess gegen Marco Cappato finden Sie auf der Website der Associazione Luca Coscioni:

https://www.associazionelucacoscioni.it/

 

 

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