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Das Recht, in Würde zu sterben, wird nicht schon morgen Wirklichkeit

Gastbeitrag von Nina Sankari*

 

Offiziell gibt es in Polen keine ärztlich unterstützte und begleitete Sterbehilfe. Todkranke Patienten, denen die Medizin keine wirksame Linderung mehr bieten kann, sind aufgrund der Gesetzeslage zu einem langsamen Sterben verurteilt, das mit Leiden, schrittweiser Verschlechterung des Zustandes und Entmenschlichung einhergeht.

Bei einem geliebten Hund oder einer Katze haben wir die Möglichkeit, ihr Leiden zu lindern. Der Tierarzt bittet um Erlaubnis, das Tier einzuschläfern, um die sinnlose Qual zu verkürzen, wenn es keine Heilung gibt. Unser Mitgefühl mit dem Tier und die Verkürzung seines Leidens werden als Ausdruck der Gnade und der Menschlichkeit angesehen.

Doch wenn ein Arzt einem Menschen so viel Mitgefühl entgegenbringt, muss er mit einer harten Strafe rechnen. Sterbehilfe ist nach polnischem Strafrecht strafbar:

Im medizinischen Ethikkodex steht in Art. 30, „der Arzt soll keine Sterbehilfe leisten“. Art. 150 des Strafgesetzbuches besagt, "es ist eine Straftat, einen Menschen auf dessen Verlangen und aus Mitgefühl zu töten". Suizidhilfe ist nach Art. 151 des Strafgesetzbuches strafbar: „Wer durch Überredung oder Hilfeleistung einen Menschen zu einem Angriff auf sein eigenes Leben veranlasst, wird mit einer Freiheitsstrafe von zwischen 3 Monaten und 5 Jahren bestraft“.

Dieses religiös motivierte Verbot verweigert – wie auch im Falle der Abtreibung – dem Einzelnen das Recht, über sein eigenes Leben zu entscheiden. Es ist wohl kein Zufall, dass es im unmittelbar darauf folgenden Art. 152 des Strafgesetzbuches um den Schwangerschaftsabbruch geht. Die katholische Kirche in Polen lehnt beides ab und beruft sich dabei auf das gleiche Glaubensprinzip: die Heiligkeit des Lebens, das nur Gott geben oder zurücknehmen könne. Für Nichtgläubige ist dieses Argument bedeutungslos. Für Gläubige sollte dies, wie bei anderen religiösen Geboten und Verboten, ein ausreichendes Argument dafür sein, dass jeder gemäss dem eigenem Gewissen handeln darf.

Damit kommen wir auch zum Kern des Streits darüber, wer in Polen das Recht haben soll, über das Leben eines Bürgers zu entscheiden: er selbst, der Staat oder die religiösen Institutionen? Angesichts der kompletten Unterwürfigkeit der staatlichen Behörden gegenüber der katholischen Kirche wird in Polen der katholische Standpunkt allen Bürgerinnen und Bürgern als Staatsgesetz aufgezwungen.

Sterbehilfe ist in Polen daher seit Jahren praktisch ein Tabuthema. Es bedeutet jedoch nicht, dass in Polen keine Sterbehilfe praktiziert wird. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Ärzte gebeten werden, das Leiden eines todkranken Patienten zu lindern. Dies geschieht jedoch erst in der Phase, in der körperliche Schmerzen unerträglich geworden sind. Inoffiziell überschreiten viele Ärzte auf Wunsch von Patienten mit terminaler Erkrankung die Grenzen der sicheren Verabreichung von Beruhigungsmitteln und Opioiden. Die Zahl solcher Fälle könnte in Polen bis zu 100.000 pro Jahr betragen. Die Fälle werden jedoch nicht registriert und bleiben ausserhalb jeglicher Kontrolle oder Aufsicht.

Gleichzeitig wächst die Zahl von polnischen Bürgerinnen und Bürgern, die Sterbehilfe unterstützen. Nach den jüngsten Umfragen sind etwa 55 % der Bevölkerung dafür. Leider gilt dies jedoch nicht für die Ärzteschaft, deren grosse Mehrheit – unter Druck der katholischen Kirche – gegen Euthanasie und andere Formen von ärztlich begleiteter Sterbehilfe ist. Die katholische Kirche hat zwar kürzlich den Rückzug aus der "Übertherapie" gutgeheissen, doch Sterbehilfe lehnt sie nach wie vor entschieden ab. Als einzige Alternative wird die Palliativmedizin angesehen, die in Polen sehr gut entwickelt und zugänglich ist. Doch auch sie kann nicht als die Lösung für todkranke Patienten angesehen werden, da oft keine wirksame Behandlungen mehr möglich sind, um Patienten von ihrem schrecklichen Leiden zu befreien.

Die Erwartungen der Bevölkerung an das Recht auf den "guten Tod" bewegen sich also weg von der Haltung der katholischen Kirche und ihrer politischen Verbündeten. In diesem Fall, wie auch in anderen bioethischen Fragen, zwingt die Kirche jedoch ihre Verfügungen und Verbote auf, um die Autonomie des Einzelnen einzuschränken.

Im August 2016 startete die Stiftung Kazimierz Lyszczynski – ganz im Sinne ihres Auftrags, die Gewissensfreiheit zu verteidigen und eine auf Wissenschaft und säkularer Ethik basierende Weltanschauung zu fördern – eine Kampagne für das Recht zu sterben, die den Namen "Menschlich sterben" trägt. Dieser Titel bezieht sich auf die Kampagne "Menschlich gebären", die in den neunziger Jahren von sozialen Aktivisten durchgeführt und von den Medien unterstützt worden war. In der Folge verbesserten sich die Bedingungen in den Entbindungskliniken deutlich, und heute können Frauen in Polen unter annehmbaren Bedingungen gebären. Unsere Kampagne zog die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich, und im Mai 2017 wurde der Versuch unternommen, die erste „Right-to-Die“-Organisation in Polen zu gründen. Die erste Registrierung des Vereins scheiterte; nach zwei weiteren Versuchen gelang es dem Verein schliesslich im Januar 2018, sich eintragen zu lassen. In der Zwischenzeit waren jedoch vereinsinterne Schwierigkeiten aufgetreten; die Mitglieder beschlossen die freiwillige Wiederauflösung des Vereins.

Die Kazimierz Lyszczynski Stiftung führt ihre Kampagne "Menschlich sterben" fort. Wir sind der festen Überzeugung, dass sich das grundlegende Menschenrecht, über sein Lebensende selber zu entscheiden, in allen EU-Ländern durchsetzen wird.

Das Recht, in Polen in Würde sterben zu können, wird zwar nicht schon morgen Wirklichkeit. Doch der Kampf geht weiter.

 

* Nina Sankari ist Vizepräsidentin der Kazimierz Lyszczynski-Stiftung, die nach einem polnischen Philosophen benannt ist, der 1689 wegen seines Atheismus gefoltert und getötet wurde. Die Stiftung setzte sich ein für Gedanken-, Meinungs- und Gewissensfreiheit, einen säkularen Staat, die Förderung einer Weltanschauung, die auf rationaler Vernunft, wissenschaftlicher Evidenz und säkularer Ethik basiert, und das Wachstum atheistischer Gemeinschaften in Polen und ihre Zusammenarbeit mit atheistischen Organisationen weltweit.

www.Lyszczynski.com.pl

 

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